BUCHCOVER | REZENSION |
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BORIS KOCH –MoorläuferDiese These kennen wir doch schon? Erschaffe ein Problem, jage den Menschen Furcht und Schrecken ein, schüre die Panik und dann … biete die Lösung an. Boris Koch könnte aber auch als ein Philosoph durchgehen. Immerhin bescheinigt er den Torfstechern, obwohl sie auf der untersten Stufe ihrer Gesellschaft stehen, einen eisernen Berufsstolz. Milan ist ein Kind seiner Zeit, elf Jahre alt, noch zu jung für die Arbeit in den Torfgruben. Dafür „darf“ er sich in den königlichen Torfwerken abschindern, damit der wertvolle Rohstoff weiterverarbeitet werden kann, sehr zum Wohle seiner (Ihrer) Majestät und seiner Vertreterin in Nebelbruch, der Freifrau, die feudalistisch über ihr Reich herrscht und in der Wahl ihrer Mittel recht skrupellos ist. Die Gesellschaft ist tief gespalten, die von oben schauen herablassend auf die von unten, die unten schauen noch herablassender auf die noch weiter unten und wenn man noch tiefer steht, dann bleibt einem nur noch der Stolz, ein ehrlicher Mensch zu sein, auch wenn man sich dabei selbst belügt. Aber so ist das nun mal. Sich eine Lüge einzugestehen ist schwieriger, weil man der Wahrheit ins Auge sehen muss, als wenn man mit dem Zerrbild seiner Umwelt weiter lebt und schon gar nicht an den vorgegebenen Grundsätzen rütteln will, um sich nicht in irgendein Fadenkreuz zu stellen. Das Narrativ wird zu einer Art Religion. Upps. Milans Schwester Elyn will das nicht mehr so akzeptieren, sie will mehr für ihr Leben. Mehr Freiheit. Eine Flucht, die tödlich endet und katastrophale Folgen für alle Torfstecher hat. Im Moor endet ihr Lebensweg, beendet durch den legendären Nachtwyrm, der schon hunderte von Jahren sein Unwesen treibt. In ihrem Gepäck findet man einen Moordiamanten, sehr selten, sehr wertvoll. Die Freifrau gibt sich nicht ein mal die Mühe das genauer zu untersuchen, sondern stempelt Elyn sofort als eine Diebin ab. Moordiamanten sind Eigentum des Königs und damit auch ihres. Da die Delinquentin nun nicht mehr selbst zur „Verantwortung“ gezogen werden kann, muss die gesamte Mannschaft der Torfarbeiter darunter leiden. Die Parallelen zu heute sind unübersehbar, auch wenn viele die Augen wieder verschließen werden. Milan wird älter, bekommt seine Zulassung in den Torfgruben zu arbeiten und auf seinem Weihgang zum Torfstecher fängt er ein Irrlicht im Moor ein. Der Preis der Freifrau ist ihm nicht suspekt und Elyns Tod lastet auf ihm, auch weil seine Familie, besonders der Vater ihm die Schuld an der Flucht gibt. Er verkauft das Irrlicht an den Alchemisten, aber der hat schon vorher ein Auge auf ihn geworfen. Milans Schnitzkunst, im Moor verteilt, hat den Mann der Wissenschaft auf seine Spur gebracht, er braucht dringend neuen Input. Nun ja, wo das hinführt... Boris Koch schreibt brillant und immer interessant, was dann als nächstes folgen wird. Dieses Buch ist ein kompletter Schlagabtausch mit unserer heutigen Realität. Fantasy vs. Heute, jetzt. Einschließlich Diffamierungen. Gegen Milan selbst, der allein in Moor herum wandert, wo er auch seine Schnitzereien, als Ausdruck seines inneren Ichs, verteilt, was ihm den Spitznamen „Moorläufer“ einbringt, gegen seine Freundin Khyra, die als Moorelfenbalg bezeichnet wird, da kann, sollte, man doch hellhörig werden. Der Alchimist will Milan als Lehrling, oder Gehilfen. Er willigt ein, ohne zu wissen, auf was er sich hier einlässt. Die Experimente des Alchimisten sprengen seine Vorstellungskraft, Faust und der Zauberlehrling von Goethe lassen grüßen. Und die waren noch verhältnismäßig harmlos in ihrer Darstellung, zu den Zielen die dieser verrückte Zauberer hat, weil der so viel Pulver auf der Pfanne hat, das man sich wundert, das das nicht schon vorher explodiert ist. Gott spielen heißt noch lange nicht auch Gott zu sein. An wen erinnert uns das? Musik gefällig? Ad Infinitum sei Euch warm ans Herz und Ohr gelegt. ISBN 978-3-426-52910 -2 392 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A) |