BUCHCOVER | REZENSION |
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HILKE SELLNICK –Danzig – Tage des AufbruchsMenschen sind emotional. Das aber ein Buchcover für Diskussionen sorgen kann, die in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu eskalieren drohen, ist mir noch nicht untergekommen und deswegen noch mal. Schaut genauer hin und NEIN, es ist nicht die Biografie von Alice Weidel. Hilke Sellnick hat anderes im Sinn und dazu geht sie ins Jahr 1860 und nach Danzig zurück. Johanna Berend wollte den Duft der großen weiten Welt schnuppern und hat sich davon gestohlen, um diese Zeit eher ein Novum, wo man Frauen ihren Platz in Küche und Küche einräumte, alles andere jedoch lieber nicht beachtete. Der Plan geht schief und Johanna kehrt Paris den Rücken und damit auch dem Mann, mit dem sie ausgerissen ist, um im heimischen Danzig, unter Papachens missbilligendem Blick, in der Familie wieder Fuß zu fassen. Nur ist Gevatter Tod mit ihrem Vater Kaffee trinken gegangen und ihr älterer Bruder Theodor hat die Rolle des Familienoberhauptes übernommen. Und der ist von Johannas Eskapaden nicht begeistert gewesen, gibt ihr die Schuld an Vaters Ableben. Hartes Durchgreifen soll die Ausreißerin daran erinnern, wer hier das Sagen hat. Theo ist das Sinnbild eines Patriarchen, der alles unter seiner Knute wissen will und anderen nicht mal den Dreck unter den Fingernägeln gönnt. Wobei er auch nicht davor zurückschreckt, den letzten Willen seines Vaters komplett zu ignorieren und dessen Testament zu seinem eigenen Gunsten umzuschreiben. Kurzerhand hat er seine Geschwister enterbt und gluckt nun auf dem väterlichen Erbe, wie ein Pinguin auf seinem Ei. Theodor hat eigene Vorstellungen vom Leben, alles andere hat keinen Platz in seinen Plänen, weder die Vorlieben seines Bruders Ernst für Literatur und Aufklärung, noch die Flucht und Wiederkehr seiner Schwester Johanna, die ihm wie ein Stachel im Fleisch vorkommt. Das hindert ihn jedoch nicht daran, seine eigenen Moralvorstellungen in Stein zu meißeln, auch wenn er damit nur zeigt, das das geflügelte Sprichwort, wenn zwei das gleiche machen, es nicht dasselbe ist. Hilke Sellnick hat geflügelte Worte dafür. Theos Bruder soll studieren, um später in der Firma eine untergeordnete Rolle spielen zu dürfen, Johanna wird kurzerhand unter Hausarrest gestellt. Das es auch andersdenkende Menschen in dieser Zeit gab, liegt auf der Hand und Hilke Sellnick hat einige skizziert, damit das Schicksal von Johanna und Ernst nicht ganz so trostlos wird, wie Theodor sich das vorstellt, seine Gedanken sind ja finster wie die Nacht. Und so klopft der Bootsbauer Berthold Forster an die Berendsche Haustür, um Johanna zu freien. Heute sagt man Hochzeitsantrag dazu. Für Johanna eine willkommene Chance der Knute ihres Bruders zu entkommen. Der Mann ist zwar älteren Jahrgangs, hat aber auch einen eigenen Hausstand, wohin der Einfluss von Theo keinen Zugang hat. Der versucht soviel wie möglich für sich zu optimieren, in dem er seine Schwester, mehr oder weniger, verschachert. Ob das so günstig für ihn war, bleibt abzuwarten, denn eigentlich ist ja die Familie das Rückgrat einer funktionierenden Lebensphilosophie. Auch wenn das heutzutage wieder versucht wird, zu negieren. Theo ist das typische Beispiel dafür, erst ich, dann die Sintflut und danach könnte man ja mal über andere nachdenken. Selbst seine angetraute Frau, die ihm, nebenbei, noch zusätzlich zu gesellschaftlichen Ansehen durch die Verbindung mit ihrer Familie verholfen hat, bleibt in seinen Plänen und Gedanken weit hinter einer bilateralen Partnerschaft zurück. Hilke Sellnick ist brillant auf ihren Seiten und „Danzig – Tage des Aufbruchs“ bildet den Auftakt zu einer Familiensaga sonders gleichen. Sollte man dranbleiben. ISBN 978-3-328 –10872 – 6 325 Seiten 16,00 € (D) 16,50 € (A) |