BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

BRITTA HABEKOST –

Stadt der Mörder

Jane Austen äußerte mal, das es nichts schöneres gibt als lesen. Da kann man ihr aus vollem Herzen recht geben, vor allem, wenn man so ein bildgewaltigen Roman in die Hand bekommt, wie diesen, bei dem wohl auch Ferdinand de Saussure Pate stand. Es ist oft leichter, eine Wahrheit zu entdecken, als ihr den gehörigen Platz anzuweisen. Britta Habekost hat, mit vollen Händen, in das Leben um 1924 und dem, gerade in Paris heimisch gewordenen, Surrealismus gegriffen und daraus einen ausgewachsenen historischen Roman vorgelegt, nach dem man sich alle Finger lecken wird. Tipp am Rande, sollten die eigenen nicht reichen, nehmt die Eurer Nachbarn gleich mit. Kann nicht schaden, so ein Buch nicht alleine zu lesen und in den Zeiten von Corona könnte man damit auch wieder Brücken bauen, die unsere glorreiche Regierigung so Panik mäßig nieder gerissen hat, ohne Rücksicht auf Verluste. Lulien Vioric steht vor einem Rätsel. Mitten in der Stadt der Lichter wird eine übelst zugerichtete Leiche eines Jungen aufgefunden. Der Täter muss ein wahrer Riese gewesen sein. Und das er sein Opfer auch noch so öffentlich drapiert hat, macht die Sache nicht gerade leichter, vor allem, weil er ein Sohn der Aristokratie ist, die jetzt, nach dem Ersten Weltkrieg zwar sich in der Auflösung befindet, aber trotzdem noch stark ist. Man kann sich also auf einige Vorurteile gefasst machen, denen so einige adligen Gestalten gerne noch nachhängen. Bei diesem Mord bleibt es nicht. In der Stadt der Liebe geht jemand um, der aber so richtig Hass in sich aufgestaut hat und so verwandelt sich Paris in die Stadt der Mörder. In diese Lage platzt plötzlich Lysanne, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, nach dem Tod ihres Vaters, ihre Schwester in Paris zu suchen, die nach dem Tod eines gemeinsamen Freundes früher ausgebüxt ist. Nun findet man auch eine Frauenleiche, ausgestattet mit den Papieren von Isabelle, nur es ist nicht Lysannes Schwester, sondern noch eine vorerst unbekannte Frau. Lieutenant Vioric darf jetzt auf vielen Hochzeiten tanzen, nur nicht auf seiner eigenen, und die Fälle häufen sich. Tote, mitten in der Nacht überfallene Kinder, die auf das übelste misshandelt werden, da hat jemand eine schrecklich blühende Fantasie, so das dem Polizisten, der in den Gräben von Verdun schon viel Blut gesehen hat, richtig schlecht wird. Und schon legt sich der Verdacht nahe, das hier eine blutrünstige Choreografie ausgelebt wird, frei nach einem kranken Geist, der aus den Tiefen der Hölle gestiegen sein muss. Dabei ist das Drehbuch gar nicht soweit entfernt. Die Surrealisten haben das, so würde man heute sagen, als Taschenbuchausgabe, die sie jedem und allen, die ihnen über den Weg laufen, in die Hand drücken wollen, ausgenommen natürlich die Ordnungskräfte, die jetzt häufiger, und vermutlich auch aus Frust, geistigen Getränken zusprechen und dann so manchen Kater mit sich herumtragen. Wenn man mit den Denkern des Surrealismus nicht klar kommt und diese einen auch noch an der Nase herumführen, so zumindest die eigene Auffassung, wenn sich die Nebel in den Fällen nicht lichten und man ständig Schmerzen in den Füßen von ständigen Wandeln auf den Holzwegen der Wahrnehmungen hat, kann einen das schon zerreißen, wie Britta das recht humorvoll in den Raum stellt. Nebenbei, daran hat sich wohl auch bis heute nichts geändert. Und die Feststellung, das man einem Regime dient, das gerade psychiatrische Einrichtungen dafür entdeckt hat, unliebsame Gegner wegsperren zu können, dürfte auch nicht gerade zu einer Erhellung der Laune beitragen. Auch hier hat sich nichts geändert, wie man in der heutigen Zeit ja ganz klar vor Augen geführt bekommt. Frau Habekost hat aber auch noch etwas Zuversicht mit eingebaut, so das man nicht ganz vom Glauben abfallen muss. Und eigentlich kann man das Werk als ein buntes Bild der Zeitgeschichte werten, das man so nicht häufig bekommt. Da kann man nur sagen, viel Spaß beim Lesen.
(Penguin)

ISBN 978-3-328 –60195 – 1 451 Seiten (mit+) 20,00€ (D) 20,60€ (A)