BUCHCOVER | REZENSION |
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PIERRE MARTIN –Monsieur le Comte und die Kunst der TäuschungDie Kommunikation der Menschen hat über tausende von Jahren entwickelt. Das Emojis jetzt ein Teil davon werden sollen, hält der Schriftsteller für einen krassen Schritt in Richtung Gegenteil von Verständigung. Da war die Höhlenmalerei kreativer. Nun ja, zumindest können jetzt auch Analphabeten Nachrichten senden, wie Klaus-Peter Wolf das mal treffsicher festgestellt hat. Eigentlich sind Familientraditionen doch etwas positives, etwas was man erhalten sollte, woran man sich festhalten kann. Nun, es gibt auch Ausnahmen. Lucien wird nach dem Tod seines Vaters Alexander der neue Comte de Chacarasse. Und der war ein exklusiver Auftragsmörder, in einer langen Ahnenreihe, die sich an den Exekutionen übte, an Leuten, die anderen im Wege standen, für Leute, die sich diese Dienstleistung leisten konnten. Das Familienmotto lautet „Obligé aux vivants et aux morts“, verpflichtet den Lebenden und den Toten. Lucien hat andere Vorstellungen von seinem Leben, unter anderem heißt es beim ihm Verkehrsentlastung, wenn er mit seiner Vespa auf dem Bürgersteig weiterfährt, um Staus zu umgehen. Er liebt die Frauen, ritterlich und französisch charmant. Auch wenn ihm manchmal der Name der Holden nicht mehr einfällt, wenn er ihr zufällig auf der Straße begegnet, nun ja kann mal passieren. Ein Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit ist sein Restaurant, das zwar nicht im Michelin-Katalog auftaucht, aber trotzdem ein beliebter Anlaufpunkt für Hungrige und auch lukullisch Verwöhnte ist. Töten steht nicht auf seiner Agenda, wobei er von der rechten Hand und Geliebten seines Vaters tatkräftig unterstützt wird. Leider ist da noch Onkel Edmond, der Herr im Rollstuhl, zwielichtig, und derjenige, der Aufträge annimmt und weiterleitet. Onkel Edmond hat viele Geheimnisse und sein Neffe muss jetzt gute Miene zum bösen Spiel machen. Zwei Dinge, sprich Menschen, sind zu erledigen. Pierre Martin streift wieder durch den Süden Frankreichs und nimmt, treffsicher, einige Dinge ins Visier. Damit dem Comte freie Bahn hat, wird Isabelle Bonnet kalt gestellt. Ein Mordversuch, den sie zwar überlebt, bei dem auch ihr geliebter Ford Mustang in Flammen aufgeht, wurde inszeniert und Madame le Commissaire ist erst mal außer Gefecht. Ob Pierre jetzt unter die Anhänger der Grünen gegangen ist? Der Ford war ein Klassiker und man kann nur hoffen, das der Schriftsteller genug Geld hat, diesen wieder auf Vordermann zu bringen, damit Frau Bonnet nächstes Mal wieder mit offenem Verdeck an der Côte d´Azur entlang brausen kann. Davon weiß Lucien noch nichts. Macht auch nichts, den das Wissen darum würde ihn eh nicht weiterbringen. Jetzt muss er sich einen ehemaligen Angestellten einer Pharmafirma zur Brust nehmen, den er aus dem Weg räumen soll. Die Firma hat vor, ungenügend getestete, Arzneimittel in den Verkehr zu bringen und sich, gleichzeitig, an der Börse einzuschreiben, um Geldmittel einzusammeln. El Dorado an Frankreichs Mittelmeerküste. Parallelen zu anderen Firmen sind bestimmt genauso Zufall, wie die gegenwärtigen Interviews der Öffentlich-Rechtlichen mit zufälligen Begegnungen im Rahmen bestimmter Ereignisse. Der ehemalige Mitarbeiter dieses Arzneimittelherstellers wird aufmüpfig. Seine Bemühungen sind zwar nicht gerade uneigennützig, aber das sei mal dahin gestellt. Das reicht aber aus, dass man ihn mundtot machen möchte. Lucien und sein Autor stehen vor der Aufgabe, den Mann unter den Augen der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen und das möglichst unspektakulär, dafür aber so effektiv, damit das Opfer aus der Schusslinie kommt. Manchmal kann da auch was schiefgehen. Wenn das gewünschte Ergebnis jedoch erreicht wird, sollte kein Hahn mehr nach Einzelheiten krähen. Nebenbei wird der Restaurantbetreiber erpresst, er soll Schutzgeld zahlen. Bevor man sich mit jemanden anlegt, sollte man sich besser mal erkundigen. Pierre Martin hat ein Händchen für Fettnäpfchen, die er, gerechter Weise, an viele seiner Figuren zum hineintreten verteilt. Zumindest kann sich Lucien den Namen seiner jetzigen Bekanntschaft merken. ISBN 978-3-426-53087-0 363 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A) PIERRE MARTIN – ... und die Kunst des Tötens – Archiv Nov. 2022 |