BUCHCOVERREZENSION
Svenssona Kuestenzorn

ANGELIKA SVENSSON –

Küstenzorn

Wenn man in eine Kneipe geht und ein Bier trinken möchte, dann gilt der Satz, Respekt vor und hinter dem Tresen. Die Bedienung macht ihre Arbeit und der Gast wird verköstigt. Wenn man eine Beziehung zu einem anderen Menschen eingeht und das nicht mehr funktioniert, dann sollte man sich aus dem Wege gehen. Weitere Kreuzungen führen doch zu Knatsch. Ausnahmen bestätigen nur die Regel. Was, bitte, ist daran schwer zu verstehen? Lisa Sanders hat jetzt zwar ihren Staatsanwalt im Bett und in der Wohnung, aber schon meldet der Bedenken an. Und das sind nur die kleinen Sorgen des Alltags. Angelika Svensson beweist, ihr Repertoire an Worten kennt vieles. Das Wort Grenzen dürfte jedoch nur eine untergeordnete Bedeutung haben, weil man die wohl nicht finden wird, in ihren Seiten. Eines ist beruhigend. Parkplätze neben Mülltonnen sind es dieses Mal genauso. Da wird Lisa wohl ein Machtwort gesprochen haben, immerhin muss sie ja die Tantiemen für Angelika verdienen und ihr Leben ist schon schwer genug, auch ohne geruchsintensive Abstellmöglichkeiten für ihr Auto. Nicht nur ein Mord verdüstert ihren Horizont, sondern auch noch die Tatsache, dass der Getötete, eher der Typ Täter, als Opfer, kurz vor seinem Hinscheiden noch eine Frau gekidnappt hat, deren Aufenthaltsort sich jetzt im Dunklen verbergen wird. Und natürlich springt jetzt auch kein Medium hinter der nächsten Straßenecke hervor, um den Freunden und Helfern freudestrahlend hilfreich unter die Arme zu greifen. So sehen halt Kompromisse aus. Kein Parken mehr neben dem Zivilisationsmüll, dafür harte ehrliche Polizeiarbeit, damit der Leser sich und seiner Katze die Sonne oder, nach Untergang unseres Zentralgestirns, das Leselicht auf die Bäuche scheinen lassen kann. Auch wenn das manchmal nur ein kurzes Vergnügen ist. Da knufft die Frau, mit der Tastatur unter den Fingern, ein Jahr an ihren Seiten und Empfänger selbiger atmet das ganz schnell weg. Tröstliche Worte von der Schriftstellerin selbst waren, da ist sie doch froh, keine Langeweile zu verbreiten. Und davon kann hier auch keine Rede sein. Der getötete Mann war … einigen wir uns auf „unsympathisch“? Weil Frau Svensson uns auch gerne noch etwas Gegenteiliges auf norddeutsch beibringen möchte. Was dann Sympathie heißen könnte. Dialektbedingt? Auch! Manchmal können Dialoge zwischen Romanfiguren und ihren geistigen Erschaffern auch Wunder wirken und dann kommt doch eine ganz andere Seite heraus. Man muss sich nur arrangieren.
Torben Fenske, jedoch, war irgendwie anders. Er war gewaltbereit. Seinen, dann verflossenen, Lebenspartnerinnen immer auf dem Sprung zu sagen, ich stehe nur einen Schritt hinter Dir. Ein Stalker vor dem Herrn. Die Frauen, die wegen ihm leiden mussten, sind fast zahlreicher, als Sterne am Himmel. Und, trotz eines Mordverdachts, wird hier schlampig gearbeitet. Eine Frau ist seit Jahren verschwunden. Nie wieder aufgetaucht. Da bietet sich dieser Psychopath als Täter geradezu an. Frau Svensson offenbart hier einen hohen Respekt vor der Polizeiarbeit, die gemacht werden muss. Auch wenn man viele Ressourcen liegengelassen wird, oder, eher wahrscheinlicher, irgendwelche Fuzzies sagen, wir haben das nicht so, sind gar nicht erst da. Frau Svensson sollte, vielleicht, in den Polizeidienst übersiedeln. Würde frischen Wind hineinbringen. Wäre natürlich ein bisschen scheiße für den Leser, der dann nur noch Protokolle vor die Augen bekommt. Ist also keine Alternative. Lassen wir Frau Svensson lieber weiter Bücher schreiben, da haben wir mehr von. Den Mord an der verschwundenen Frau kann man Torben nicht nachweisen, auch wenn viele Spuren in seine Richtung weisen. Dafür gibt es aber mehr als genug aktenaktive Anzeigen, wegen Gewalt und Stalking. Wobei man die Dunkelziffer noch nicht berechnet hat. Nur, wer Gewalt wirklich erlebt hat, so banal sich das auch nach außen darstellen mag, kann nachvollziehen, gehe ich diesen Schritt oder doch lieber nicht, weil ich, nicht nur vielleicht, sondern genau das Gegenteil erreiche. Wie Frau Svensson es des Öfteren schon, auch hier wieder, anprangert, sind die laschen Rechtsvorkehrungen unserer, ach so hoch gelobten, Demokratie eher Öl auf den Feuern der Täter, als Schutz für die Opfer. Und Torben Fenske war so ein Feuerteufel. Jetzt ist er tot. Solchen Typen weint keiner eine Träne nach. Wäre da nicht die entführte Frau, die jetzt schon tagelang, irgendwo, vor sich hinvegetiert. Was ist jetzt wichtiger? Das Tötungsdelikt aufzuklären oder die Frau zu suchen, die noch lebt, oder leben könnte. Wie Angelika das so schön in ihre Tastatur hämmert, gibt es karrieregeile Pfeifen, die ganz schnell mit einer Mordaufklärung glänzen wollen und Menschen mit Empathie, die dann doch mehr wollen. Wen hätten wir denn lieber? Die Antwort auf diese Frage sollte, eigentlich, ganz einfach sein.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52336-0 343 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

ANGELIKA SVENSSON – Küstentod – Archiv April 2018 TIPP