BILDERREZENSION
1 Tsokos
2 Goessling
3 Eintrittskarte

LESUNG MICHAEL TSOKOS - Zerbrochen

11.04.2017 – Berliner Ensemble

Um 20.00 Uhr war soweit. Der Saal im „Berliner Ensemble“ war rappelvoll. Platz 6, Reihe 9, Parkett linke Seite, war auch besetzt. Das Buch „Zerbrochen“, das als Rezi-Exemplar von Frau Keßler vom Verlag Knaur, hier noch einmal vielen Dank, sowohl für das Buch, als auch die Einladung zu diesem Event, zur Verfügung gestellt wurde, auf den Knien drapiert und schon vorab darin vertieft, hätte man fast den Auftritt von Herrn Tsokos verpasst, wäre das Licht nicht gedimmt worden. Wenn man das Buch anfasst, dann versinkt man darin. Gut, dass es Dimmer gibt und der technische Fortschritt keinen Halt vor Bücherwürmern macht, die ihre eigentliche Umwelt immer außen vorlassen wollen, oder beim Lesen komplett ausblenden. Herr Tsokos hatte heute das Anliegen, sein neues Buch, mit seinen Romanhelden Fred Abel, den er, nebenbei bemerkt, schwer beutelt, und auch seine eigentliche Arbeit so vorzustellen, dass auch Laien, zumindest ansatzweise, einen Begriff davon bekommen, durch welche Jammertäler er wandern musste. Den Job würde keiner wirklich freiwillig ausüben wollen, das kann nur Berufung sein, sonst könnte man das nicht machen. Nachdem er die erste Passage aus „Zerbrochen“ vorgelesen hatte, wo Fred Abel, nach einem sehr persönlichen Angriff und seinem Ringen um Leben und Tod, wieder in das Leben der Erdbewohner eintaucht, gab Michael Tsokos so einige Einblicke in seine Arbeit, war schon effektiver Wahnsinn. Die Bilder werden wohl keinem der Anwesenden so schnell aus dem Kopf gehen. Vom Tsunami in Thailand, Breitscheidplatz und auch anderen Schauplätzen. Michael Tsokos war, als Rechtsmediziner, überall dabei, wenn es um die Identifizierung der Opfer ging. Da muss man schon eine Profession haben. Und jetzt wissen wir auch, dass Fred Abel kein Pathologe ist, sondern ein Rechtsmediziner. Da gibt es einen feinen Unterschied und den hat Herr Tsokos, in dieser Lesung, klar dargelegt. Der Pathologe schneidet Dich auf, wenn Du tot bist, okay. Kann ja sein, dass man vor sich hin verscheidet. Aus welchen Gründen auch immer. Sollte jedoch Fremdeinwirkung an Deinem Tod festgestellt werden, dann ist der Rechtsmediziner am Zuge. Wird Dich zwar nicht mehr trösten, aber er kann zu einem Anwalt werden, der Deinen Tod, zumindest, dokumentieren wird. Für Deine Nächsten, die sich dann um Dein Erbe streiten werden. Für eine Aufklärung Deines unnatürlichen Todes sind, dann doch, andere Stellen zuständig. Herr Tsokos gibt dann noch eine andere Passage seines Buches preis und reiht sich, damit, nahtlos in die Riege der Schriftsteller ein, die ihre Protagonisten richtig leiden lassen. Wobei er hier die Schuld, selbstverständlich, an Andreas Gößling weiterreichen möchte. Der ist dafür verantwortlich, dass der Spannungsbogen ausgefeilt wird. Micha ist nur der gedankliche Urheber der Idee. Andi ist der Böse, der Fred Abel in die Hölle schickt. Schuld sind sie beide, keine Frage. Da gibt es auch kein „In dubio pro reo“. Mitgehangen, Mitgefangen. Es war eine aufgelockerte Veranstaltung, die mit rasendem Interesse vom Publikum aufgesaugt wurde. Sehr informativ und auch unterhaltsam. Sollte man öfter machen. Vor allem dann, wenn man den Menschen sehen möchte, der hinter den Seiten steht. Schade, dass Andreas Gößling nicht da war.

(MRD)