BUCHCOVERREZENSION
Tutii EiskalteHoelle

IRA LAUDIN –

Der Himmel am nächsten Morgen

Ira Laudin verbindet drei Erzählstränge. Im Mittelpunkt steht Lissi. Und da stellt sich doch die Frage, wie oft muss man die Schrecknisse eines Krieges beschreiben, damit wir uns endlich mal die Frage stellen, wollen wir das wirklich noch ein mal? Lissi verliert, in diesem Krieg, ihre ganze Familie. In den Endzügen die Mutter und den Opa und noch dazu ihre jüngere Freundin Ingrid. Wollen wir diese Erfahrungen wirklich noch selbst machen? Das es Leute gibt, die daran Freude hätten, wenn sich andere den Schädel einschlagen, ist unbestritten. Nur, gehören wir dazu? Ira Laudin hat einen Meilenstein gesetzt und in der Zeit zurück geschaut. Nachdem man Lissi bei ihrer Tante in Wuppertal unterbringen konnte, ein weiter Weg aus Pommern, wird das Leben aber nicht besser. Im Osten rückte der Russe vor, an der Westfront spielen die anderen drei Alliierten mit den Muskeln und, wie wir aus der Geschichte wissen, gab es genug Verblendete, die das Ende des Krieges nicht wollten. Traurige Höhepunkte waren die vollständige Bombardierung deutscher Städte, sowie die Atombombenabwürfe über Hiroshima und Nagasaki. Ein Lichtblick wird Johann Sander, auch wenn der sich erst mal als ein Ärgernis in Lissis Leben darbietet. Irgendwann ist der Alptraum dann endgültig vorbei und Deutschland wagt einen Neuanfang. Streng reglementiert, aber immerhin. Und schon geht es wieder los. Die drohende Kulisse des Kalten Krieges verdüstert den Horizont, während dessen schon wieder, überall auf der Welt, die Scharmützel losbrechen, als hätte man aus dem Desaster in Europa und Fernost nichts gelernt. In Deutschland sieht es nicht besser aus, dabei stecken die Gräuel doch noch tief in den Knochen. Für Lissi beginnt ein neues Leben. Langsam bahnt sich eine Normalität an, mit der man umgehen kann, auch wenn sie sehr fragil ist. Lissi heiratet Johann, Miriam wird geboren und das Leben ist schön. Bis zum nächsten Schicksalsschlag. Ira Laudin spielt Norne und schneidet den Lebensfaden von Johann durch. Autounfall, endgültig. Lissi befindet sich in freiem Fall ihrer Gefühle. Wie kommt man wieder auf die Füße, wie verarbeitet man alles. Wenn man merkt, das man nicht allein am Wegesrand steht, was als Erkenntnis einen nur langsam erreicht, dann kann es leichter werden. Bis dahin ist es jedoch ein steiniger Pfad, der sich nur allmählich ebnet. Frau Laudin zeigt das voll Inbrunst und sagt, lasst euch euren Lebensmut nicht nehmen, ergreift, wann immer möglich, eine zweite Chance. Lasst euch helfen, helft anderen und steht nicht nur einfach blind in der Botanik herum, dafür ist das Leben zu schön. Als Johanns Jugendfreund Georg in Lissis Leben aufschlägt, ist er von einem ähnlichen Schicksal betroffen, hat das aber irgendwie anders verarbeitet. Lissi ist hingerissen von seinem Lebensstil, den er an den Tag legt, der eher unkonventionell ist. Wenn die Nornen Lebensfäden wirken, dann sollte man sie ergreifen, auch wenn es Schwierigkeiten geben sollte. Die Botschaft der Autorin lautet, lasst euch nicht unterkriegen. Als Musiktipp geben wir, wie schon häufiger, wenn man emotional aufgeladene Musik hören möchte und diese auch zu dem Buch passt, dann nehmt „Septic Flesh“ mit Infernus Sinfonica MMXIX.

ISBN 978-3-426-30928-5 351 Seiten 11,99€ (D) 12,40€ (A)

Als informelle Literatur zu Kriegen
Daniele Ganser – Imperium USA – Archiv August 2022