BUCHCOVERREZENSION
Lorentz.i DieMaedchenAusApulien

INY LORENTZ –

Das Mädchen aus Apulien

Das Mädchen aus Apulien ist Pandolfina de Montcœur, Tochter des normannischen Grafen Gauthier und seiner sarazenischen Ehefrau, mitten in Italien, zur Hoch-Zeit Friedrich II., dem Kaiser des Heiligen Römischen Reiches und Königs von Sizilien. Und Nachfahren des legendären Barbarossa. Der Graf hat gerade den Weg in die Ewigkeit angetreten, den seine Frau schon zwei Jahre vorher gegangen war. Der Leichnam ihres Vaters ist noch nicht kalt, als sich die Nachbarschaft schon zu Geiern entwickelt. Die heimische Burg wird überfallen und durch Verrat bezwungen, die grafentreuen Männer werden niedergemetzelt, obwohl sie sich ergeben hatten. Iny Lorentz haben ein ziemlich klares Bild von Gut und Böse, das sie an den Leser weitergeben, dass man auch mit Begeisterung aufnehmen wird. Pandolfina gerät in Gefangenschaft und soll, dem Willen ihres Besatzers gemäß, vergewaltigt und zur Ehe gezwungen werden. Könnte doch, der über fünfzigjährige, Silvio di Cudi mit einer, gerade mal vierzehnjährigen, Frau dem Kaiser die Stirn bieten und sich, gleichzeitig, die Unterstützung des Papstes sichern. Die Zeiten waren unruhig, was, vermutlich eine extreme Untertreibung sein dürfte. Die Geschichte des Heiligen Römischen Reiches war geprägt von Fehden, Kriegen und sinnlosen Gemetzeln, wo sich die hochgeborenen und adligen Vollpfosten gegenseitig an die Kehle gingen. Das Volk darunter leiden musste und noch keine findigen Anwälte hatte, hier Gerechtigkeit zu fordern. Und der Stellvertreter Gottes auf Erden für mehr Verbrechen verantwortlich war, als das heute eine Gesetzgebung noch auf die Reihe bekommen würde, dem Mann so etwas, wie mildernde Umstände auf die Fahne zu schreiben. Um die Zeit hatte er ja noch „göttliches“ Recht auf seiner Seite und so sind einige Päpste damit durchgekommen. Der Ausspruch von Jesus Christus, dass dem Kaiser das zu geben ist, was ihm gebührt und, im Gegenzug dazu Gott zu geben ist, was er braucht, gerät reichlich in ein Hintertreffen, und öffnet ungeahnte Türen, was den hochwohlgeborenen Ständen immer wieder ermöglicht, sich über andere, vorausschauend natürlich Schwächere, die sich nicht wehren können, hinwegzusetzen. Wenn man als geiler, alter Lüstling dazu noch ein vierzehnjähriges Mädchen bekommt, das man nach Lust und Laune missbrauchen kann, dann werden Grenzen einfach gebrochen. Wehrmachtgeneräle im Format eines Walther Kurt von Seydlitz-Kurzbach, oder Ritter Wilhelm von Thoma, die sich ihrer adligen Geburt bewusst waren und damit auch Verantwortung verbanden, sich mit solchen Zuständen nicht abgefunden hätten, gab es damals noch nicht so wirklich. Leonhard von Löwenstein soll jetzt diesen Part übernehmen. Papa Ludwig holt ihn aus einem Kloster, wo er eigentlich studieren und sein Leben Gott weihen wollte. Sein Problem ist nur, dass seine Brüder mutiger waren, als er, Verstand mit Feigheit gleichsetzten und dementsprechend früh verstarben. Er ist jetzt der letzte Erbe seines Vaters, der sich in seiner Fehde mit den Heimsbergern, von König Heinrich, dem Sohn Friedrichs, verraten sieht. Der Kaiser hat seinen Sohn nicht im Griff. Aus dem angehenden Mönch und Diener Gottes muss jetzt ein Krieger und Ritter werden. Irgendwann soll er ja mal Pandolfina, der die Flucht gelang, vor einem sexbesessenen, alten Bock, heiraten, mit ihr Kinder zeugen und dem Unrecht entgegentreten, dass seiner Frau in früher Kindheit angetan wurde. Iny Lorentz haben dafür auch einen ziemlich straffen Zeitplan. Ritter Eckbert, Vater Ludwigs bester Mann, wird „Ritter Mönchlein“ unter seine Fittiche nehmen, aus dem Rohmaterial einen Diamanten schleifen. Eins kann man sofort feststellen. Sollte Ritter Eckbert jemals einen Job als Ausbilder suchen, dann geben wir ihm einen. Der Mann ist die Zierde für die Heranführung von Azubis an ihre zukünftige Arbeit. Bis dahin lassen sich Iny Lorentz dann doch noch ein paar Minuten Zeit, für den Leser. In der Geschichtsschreibung werden es dann ein paar Jahre werden. Sie geben sich aber auch die Ehre, so manchen Brüller mit in das Päckchen zu packen. Die Löwensteiner fliehen erst mal über die Alpen, zu Kaiser Friedrich, nach Italien, und der zukünftigen Heirat Leonhards und Pandolfinas entgegen. Und Waffenknecht Kurt fragt, „Wer war Hannibal?“. Da ist ein erneuter Heiterkeitsanfall wohl nicht mehr zu vermeiden. Leonhard hat zwar das schon mal gelesen, darf aber mit seinem Wissen nicht punkten. Laut Papa Ludwig soll er als ein teutonischer Ritter durchgehen, der eigentlich Wisente jagt, oder, eher nach Siegfrieds Vorbild, Drachen und Sagengestalten erlegt, und seine Feinde in einem Handstreich niedermacht und keine Ahnung hat, von anderen Sprachen, von Geschichte sowieso nicht. Kaiser Friedrich II. ist von seinem Kreuzzug ins Heilige Land zurück. Hat Erfolg gehabt. Er ist ja auch ein Stauffer, und kein Löwensteiner. Mäht dann noch so einige Aufstände nieder, und gibt Pandolfina nach, die Möglichkeit zu haben, in Salerno Medizin zu studieren. Er hat die Wahl. Entweder gibt er der Frau das Studium, was damals ja nicht selbstverständlich war, oder sie liegt ihm in den Ohren nach ihrer Erbschaft und einer erneuten Fehde mit dem Vollpfosten, der sich für Gottes Stellvertreter auf Erden hält, wo eine heutige Rechtsprechung sich außerstande sehen würde, hier einzugreifen. Papst und Kaiser stehen sich in den roten und blauen Ecken eines Boxringes gegenüber, und das Volk, das eigentlich den Lebensunterhalt von allen Gestalten dieser Welt erwirtschaften soll, liegt blutend und verendend am Boden. Eine Frau, die studieren möchte? Für Friedrich II. ist das kein wirkliches Problem. Er ist, für seine Zeit, ein aufgeklärter Monarch, was, wahrscheinlich, auch Opas Erziehung geschuldet ist. Aber er muss auch politisch agieren und reagieren. Und so wird eine Ehe angebahnt, die Ritter Mönch und Frau, wir wollen Ärztin werden, in den heiligen Hafen der Ehe ein schippern lassen sollen. Was jedoch so einige Probleme aufwirft. Leo Löwenstein kann seine zukünftige Frau zwar vor einer Vergewaltigung retten, aber ein angepisster Landedelmann übt sich in übler Nachrede über Pandolfina, verdreht ein paar Tatsachen und schon rutscht Leonhard das Herz in die Hose. Da werden Iny Lorentz und der Leser wohl noch etwas Geduld haben müssen. Vielleicht sollte Leonhard mal ein klärendes Gespräch suchen oder einen Therapeuten, oder einfach Leuten vertrauen, die ihm wohlwollen. Der Weg wird wohl doch etwas länger dauern.
(Knaur)

ISBN 978-3-426 -50411 – 6 608 Seiten 15,00€ (D) 15,50€ (A)

INY LORENTZ – Die Widerspenstige – Archiv Dez. 2017