BUCHCOVERREZENSION
Frick.k DasBlutendeLand

KLAUS N. FRICK –

Das Blutende Land

Die deutschen Fantasy-Autoren dürfen ein neues Vollmitglied in ihrer Gilde begrüßen und der Leser kann sich darauf freuen, was kommt. Klaus aus Karlsruhe schüttelt das Deckbett der lesenden Zunft gehörig auf, die sich auf seinen Seiten gemütlich betten wird, um einen gesunden Ausgangspunkt zur Verkostung selbiger zu haben. Sardev und Papa Corvis sind auf Wolfsjagd, haben einen Köder ausgelegt. Macht Euch lieber keine Gedanken an das arme Schaf, das hier daran glauben musste. Oder doch? Weil der Mensch sich über alles stellt. Ohne zu fragen. Und schon ist das Raubtier im Anmarsch. Da kommt einem Bernard Minier wieder in Gedanken. Was beide Jäger nicht wissen, ist, dieses Tier ist eines der ungewöhnlichen Sorte, die alle Welt für ein Ammenmärchen hält. Nun kann sich Sardev zwar zwei nagelneue Wolfsohren an seine Kette stricken, aber das ist für ihn eher nicht so gut, wie man im Laufe der Handlung mitbekommen wird. Klaus hat da mal etwas vorbereitet. Und auch einen Gang höher geschaltet. Noch hat Sardev Träume, unter anderem von einem Leben als Freibauer, bevorzugt mit der weiblichen Gesellschaft von Cakioneh, die ihm, in seinen Träumen, viele Kinder schenkt. Herr Frick hat jedoch andere Pläne mit dem kleinen Bengel, der derzeit noch ahnungslos ist, was ihm bevorsteht. Erst mal zieht ein neuer Verwalter in die Provinz ein, die sich das Imperium Eskoh untertan gemacht hat. Nesh Tilan soll den Fluss von Steuergeldern an das Mutterland sichern und den allgemeinen Wohlstand untermauern. Für ihn, aus einem alten Adelsgeschlecht stammend, ein langweiliger Job, den er gern mit kleinen Meutereien würzen möchte. Harmlose Scharmützel anzetteln, die er, der „Held“ der neuen Errungenschaft einer Diktatur, der er, als ein kleines Zahnrad im Getriebe angehört, dann gnadenlos niederwerfen wird, nur um zu beweisen, was für harter, unbeugsamer Kerl er ist, und er sich für höhere Taten empfehlen kann, um an anderer, einflussreicherer Stelle ein etwas größeres Zahnrad zu werden. Justizirrtümer werden geflissentlich ignoriert und Selbstjustiz, so haarsträubend sie auch ausfallen mag, wird aktiv unterstützt. Unschuldige? Scheiß drauf. Macht ist die Basis, wer daneben herunterfällt, hat Pech gehabt. Recht auf Leben? Haben wir ja nicht mal wirklich heute. Siehe Betriebe, die sich Tarifverträgen gegenüber sperren wollen. Begleitet wird er von Zarg-Nolesa, die jedoch in anderen Zielen unterwegs ist. Die Magiesucherin will mehr, nur muss das nicht jeder wissen. Im Niedergang der Magie der Natur sucht sie nach alten, wie neuen, Ressourcen für die magische Innung von Eskoh, ist mit weitreichenden Vollmachten gerüstet und schreckt auch vor Mord nicht zurück. Klaus schickt Charaktere in die Spur, da schrecken selbst Wölfe zurück, und mit diesen Pappnasen will keiner spielen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Kadavergehorsam und Machtanspruch, denen Recht völlig egal ist. Gib der Figur einen Schlips, ein Parteiabzeichen, einen feuchten Händedruck, gepaart mit dem Versprechen, in der Hierarchie aufzusteigen zu können und schon wird der Hausstand, samt der Großmutter verkauft. Nesh Tilan sucht, für seine egoistischen Ziele, Opfer. Und die werden prompt geliefert. Zarg-Nolesa sucht nach Resten der natürlichen Magie, stößt auf einen Magier, der solche Macht hat und darauf hockt, wie eine Glucke auf ihrem Ei. Statt Ruhe und Frieden, Sicherheit und ein auskömmliches Leben für alle, was hier in Reichweite wäre, säen die beiden einen Bürgerkrieg in den Acker des Landes Patloren. Und der Magier, der hier richtig Morgenluft wittert, will mitspielen, Ausnahme! Und dafür braucht er den kleinen Wolfstöter, den er in eine Kreatur verwandelt, jenseits menschlichen Verständnisses. Sardev kann sich nicht wehren. Die zwei Ohren eines Geisterwolfes an seinem Halsschmuck sind da nicht kooperativ, zwingen ihn eine Gefangenschaft, die sich keiner wirklich vorstellen kann. Er ist kein Mensch mehr, nur noch im begrenzten Maßen seiner Sinne fähig, wird von der rachevollen Seele eines Wolfes drangsaliert und von dem Magier dazu bereitgestellt, einer Raureitertruppe als Spürhund zu dienen. Um Renegaten, oder auch nur hilflose Opfer, aufzuspüren, die Nesh Tilan, im Zuge seiner genetischen Säuberung, hinrichten lassen kann. Hoffnungsloser kann das Leben nicht sein, vor allem dann, wenn er seinen Schwiegervater in spe tötet, vor den Augen seiner Lebensliebe Cakioneh. Das Verderben hat sich aus den Klauen der Agentur für Arbeit gelöst und sucht jetzt nach einem eigenständigen Lebensunterhalt. Unsere Politiker, schon fast egal, welcher Couleur, werden das befürworten. Hauptsache, die Agentur für Arbeit kann wieder etwas Geld sparen. Aber „Das Blutende Land“ ist auch unser Land. Fantasy-Literatur ist immer ein Spiegel unserer Zeit und Klaus hat das, messerscharf, umgesetzt. Klaus N. Frick hat aber noch Hoffnung und, im Gegensatz zu Zeus, lässt er Pandora die Box solange offen halten, bis Yann Hetli herausspringen kann. Merkt Euch diesen Namen. Die einzige Spezies, die dem Menschen gefährlich werden kann, ist der Mensch selbst. Dieses Zitat von Bernard Minier sollte man verinnerlichen. Klaus hat hier richtig gute Arbeit geleistet und sich dafür empfohlen, dass man sein Buch auch inhaliert.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52106-9 538 Seiten 12,99€ (D) 13,40€ (A)

B. Minier – Schwarzer Schmetterling – Archiv August 2013