BUCHCOVERREZENSION
Winslow.d Corruption

DON WINSLOW –

Corruption

Beginnen wir mit einem Zitat, das King Don, genusssüchtig, wiedergibt. „In meiner über vierzigjährigen Karriere als Strafverteidiger hatte ich regelmäßig mit Leuten zu tun, die logen und betrogen und versuchten, das Recht zu beugen, um sich Vorteile zu verschaffen. Die meisten arbeiteten für die Regierung“. Oscar Goodman. Nun ja, da kann man schon einige Schlüsse ziehen, wie ein Rechtsystem, besonders das der „Freiesten Nation“ der Welt und damit auch unser abgekupfertes, funktioniert, oder auch nicht, weil es vor sich hindümpelt. Wo man unbescholtene Bürger von Verbrechern nicht mehr unterscheiden kann. Die Rechtslage sehr heikel werden wird und im Juristenalphabet, plötzlich Terminen auftauchen, die man, als Normalsterblicher, nicht mehr nachvollziehen kann. Und, nehmen wir mal ein zweites, „Der beste Schutz dagegen, von New Yorker Polizeibeamten erschossen zu werden, ist, keine Waffe zu tragen und sie nicht auf sie zu richten.“ Die Polemik des Polizeichefs von Big Apple hat zwar ein klare Kontur, nur entbehrt sie doch einer gewissen Grammatik, und der Lachanfall des Lesers könnte Ausmaße annehmen, die nächstliegende Notrufnummer zu wählen. Vor allem auch, weil man weiß, dass hier die Tatsachen, praktischer Weise und verniedlichend, einfach nur geschönt werden. Und Don Winslow zieht den Faden noch weiter, zerrt einen Schlagabtausch zwischen den Exekutiven des Bürgerschutzes an Land, der hat es in sich. Leute, dass nennt sich Demokratie. Statt das Verbrechen zu bekämpfen, wo sich die Frage stellt, welches, bekriegt man sich lieber gegenseitig, unterstellt sich, gegeneinander, aller möglichen Rechtsbeugungen und niemanden ist wirklich geholfen. Don Winslow hat zwar, manchmal, eine recht rotzige Art, sich zu artikulieren, vermutlich, weil man dann besser verstehen kann, was er ausdrücken möchte. Aber er kann ja auch anders. Von farbenfrohen bis blumigen Darstellungen einer Situation, als Künstler hat Don viele Gesichter, obwohl er als Schriftsteller lieber die Aussage macht, steckt das Pack einfach in einen Sack, haut drauf. Ihr trefft IMMER den richtigen. An Don Winslow scheiden sich öfter viele Geister, nur welcher Schreiber hat den Mumm, solche Themen anzufassen und aufzuarbeiten. Denny Malone, hochdekorierter Cop, Elitemann einer Taskforce des NYPD, gefeierter Hero, geht in den Knast. Don Winslow schreibt eine Art Biografie, eines Menschen, der mal an etwas geglaubt hat und im Leben bitter enttäuscht wurde. Eigentlich ist die Grundaussage, die Kleinen werden immer hängen. Während sich die Großen ihre Shrimps- und Kaviarbrötchen schmecken lassen und dabei zusehen, wie das kleine Volk sich abstrampelt, um über die Runden zu kommen und dabei, reihenweise hängen werden, wenn sie sich, auch nur ansatzweise, in größere Gefilde wagen wollen. Demokratie? Don Winslow kann darüber nur lachen. Und, natürlich, schreiben kann er auch noch. „Corruption“ ist ein starkes Stück Gesellschaftsbild, wie so manche Dinge funktionieren, wo wir gerne wegsehen, weil wir klein sind und uns auch klein halten lassen. Nicht aufmucken. Wo Politik und Verbrechen harmonieren werden, da man solchen Leuten schlecht in die Karten gucken kann. Denny Malone ist korrupt, muss man so sagen. Nur mauschelt er anfangs noch in, eher, kleinen Beträgen. Hier mal schnell einen Kaffee, da mal einen kleinen Gefallen, nur langsam steigern sich die Summen, die er sich unter den Nagel reißt. Mit seinen Kollegen natürlich, jedermann braucht Rückendeckung. Denny Malone, Schuld oder Nichtschuld kann man hier getrost vernachlässigen, ist ein Opfer einer menschenverachtenden Gesellschaftsordnung, die Kindermördern und Mördern überhaupt, Deals anbietet, über Kollateralschäden hinwegsehen wird, solange die Grenzen eines bestimmten Kreises nicht überschritten werden. Liebe Leser, zu diesem Kreis gehören wir nicht. Uns lassen sie ausbluten. Dafür werden korrupte Politiker, die sich ihr Leben lang auf Kosten der werktätigen Steuerzahler amüsiert haben, auch noch mit Staatsbegräbnissen bedacht und dem kleinen Volk wird die rechte Tasche vollgehauen, um aus der anderen gleich weiter zu ziehen. Und andere, ja sicher, ebenfalls bestechliche Personen stehen daneben und heulen Krokodiltränen. Nur, wer weint um die toten Kinder, die in Gangkriegen umkommen? Da wird dann ganz sarkastisch erwähnt, man erspart dem Staat Sozialhilfeleistungen. Don Winslow steht auf den Barrikaden. Diese Vorlage dafür, könnte von Victor Hugos „Gavroche“ kommen. General Dombrowski, einsam, aber unbeugsam für die Pariser Kommune. Und Denny Malone ist seine Speerspitze, die er in die Eingeweide dieser Gesellschaft stößt, um die faulen Eier in Inneren mal ganz weit nach vorne zu bringen. Zu offenbaren, was diese verlogene Demokratie uns verschweigt, was sie so alles hinter ihrem strahlenden Lächeln und ihrer, ewigen, Selbst-Hudelei verbergen möchte. Georgi Dimitrov, auf Amerikanisch? Kann man auch so stehen lassen, weil Don mehr sehen lässt. Andere Leute, hinter den Kulissen, würden hier gerne etwas fallen lassen wollen. In diesem Buch werden sie von ihm ad absurdum geführt. Und deswegen packt ein „dirty“ Cop mal aus. Ihr werdet Euch in diesen Seiten festsaugen, das ist versprochen. Ein durch und durch getaktetes Schlagzeug gefällig, das Euch durch die Seiten peitscht, wenn Euch Don nicht schon reicht? Addaura mit „Citylight“ könnte da gut in die engere Wahl kommen.
(Droemer)

ISBN 978-3-426-28168-0 541 Seiten 22,99€ (D) 23,70€ (A)