BUCHCOVERREZENSION
Caspianh GutGreifenau Nachtfeuer

HANNA CASPIAN –

Gut Greifenau - Nachtfeuer

Pferd ist ganz entspannt. Nachdem Hanna ihn adoptiert hat, kann er sich jetzt genüsslich auf ihrer Couch austrecken, und ihr, beim Schreiben, sorglos über die Schulter schauen. Sie wird keine Fallen für ihn einbauen. Sie heißt nicht David Gilman. Nachdem der erste Teil ja schon ein absoluter Hingucker war, wird sich der zweite nicht lumpen lassen, sondern geht nahtlos dort weiter, wo Hanna in der Version 1.0 aufgehört hat. Noch eine Stufe höher schaltet. Der I. Weltkrieg hat sein Haupt erhoben und schiebt sein gieriges, gefräßiges Maul, das Menschenleben in sich aufsaugen wird, durch ganz Europa. Der Beginn wird euphorisch begrüßt, von vielen. Die auch vielen, die das nicht wollten, sind plötzlich Vaterlandsverräter und werden verfolgt. Man sollte jetzt aber nicht annehmen, dass sich das nur auf eine Kriegspartei bezieht. Das machen jetzt alle. Komisch ist nur, dass die Adelshäuser Europas intensiv miteinander verstrickt sind und plötzlich Familien gegeneinander stehen, die sich eigentlich kennen sollten. Im Gegensatz zu den einfachen Soldaten, die auf allen Seiten, sowie so nur als Kanonenfutter dienen müssen. Hanna Caspian hat eine drastische Ausdrucksweise und stellt ein Elend plastisch dar, das an uns, Dank der späteren Geburt, bis jetzt, vorbeigegangen ist. Wenn man einfach mal darüber nachdenkt, wie viele junge Menschen, die Blüte der damaligen Zeit, auf allen Kriegsschauplätzen, in irgendwelchen Schlammlöchern verbluteten, für Nichts, dann kann man nur Fragen haben, wie konnte das funktionieren. Gerade, weil der II. Weltkrieg das noch toppte, und es heute auch nicht besser geworden ist. Heute werden solche Katastrohen subtiler gehandelt. Heute werden Übergriffe auf andere Völker stilisiert und sogar, auch noch glorifiziert. Solche Filme, wie „Missing in Action“, „The Heartbreak Ridge“, und auch andere, sprechen doch eine eigene Sprache, wobei sich alle! , aber auch alle anderen Filme solchen Genres, durch eine Ironie der Politik auszeichnen, die einfach nur verachtenswert ist. Man hat zwar offensichtlich Unrecht, den Menschen gegenüber, aber die wirtschaftlichen Interessen auf seiner Seite. Das Leben könnte so einfach sein, wenn wir uns, gegenseitig respektieren würden. Hanna hat da einen Weg gefunden. Nur kann sie ihn nicht wirklich zu einem guten Ende führen, sondern muss sie sich den damaligen Zeichen der Zeit beugen und bezeugen, dass war doch einfach nur Scheiße. Die Geschichte ist passiert und sie schreibt einen historischen Roman dazu, mit allem, was geschehen ist. Das Ergebnis kann sie natürlich nicht ändern. Aber eins macht sie, und das richtig gut, sie appelliert an uns. Hanna Caspian ist engagiert, und macht das, auch wieder, glasklar. Ihren Humor hat sie trotzdem nicht verloren. Und ihren kritischen Blick auch nicht. Gut Greifenau steht mitten im Geschehen des I. Weltkrieges. Die Bürden werden immer größer. Nikolaus, als der zweite Sohn und Nichterbe, hatte die militärische Laufbahn eingeschlagen und steht an der Front. Aber auch Konstantin, der erste Sohn, wird plötzlich eingezogen. Was heißt, Papa muss wieder ran, die Geschicke des Gutes zu lenken. Doch, dessen Desinteresse ist doch sprichwörtlich. Während fast alle Welt mit den Folgen des Kriegsverlaufes zu kämpfen haben, machen sich andere den Lenz. Der Kaiserneffe, den Mama Feodora als Traummann für ihre Tochter Katka erwünscht, zeichnet sich durch sexuelle Belästigungen gegenüber seiner, noch minderjährigen, Braut aus und, ganz nebenbei, vergewaltigt er ein Stubenmädchen, das dann Suizid begeht, was jedoch vertuscht wird. Das kann nicht spurlos an den Menschen vorbei gehen. Hanna hat hier recht drastische Worte parat, aber wie schon erwähnt, das Ergebnis kann sie, im nach hinein nicht ändern, nur dokumentieren, wie sich so mancher Zeitgenosse, der der Meinung war, etwas Besseres zu sein, gebärdete. Die Front im Osten bricht zusammen, die Bolschewiki übernehmen die Macht im Reich der Russen, und im Westen bringen jetzt die Engländer ihre Tanks an die Tagesordnung. Teil II von „Gut Greifenau“ steht dem ersten in nichts nach. Nachdenklicher, in jedem Fall. Obwohl Hanna das Tempo mal höher gestellt hat, wird der Leser ihr folgen. Das darf man sich nicht entgehen lassen. Schicksale einer Zeit, die zwar jetzt Vergangenheit ist, aber doch immer noch brandaktuell sind. Unsere jüngere Geschichte zeigt uns, wie wir belogen und betrogen wurden, und immer noch werden, über Jahrzehnte und Jahrhunderte. Fragen können sehr gerne an die Autorin gestellt werden, ganz klar. Ihren Figuren könnte man auch ein Interview anbieten. Albert Sonntag, Eugen, oder auch der dritte Grafensohn Alexander, stehen bestimmt zur Verfügung. Nur, diese Menschen möchten auch Antworten auf viele Fragen. Die jüngste Tochter, Katharina, die in Hoffnung ihrer Eltern sich mit dem Kaiserneffen, dem Ekel, zu vermählen soll, wurde jetzt mundtot gemacht. Ist also als Gesprächspartner, derzeit nicht präsent. Bei Rebecca Kurscheidt solltet Ihr Euch etwas zurückhalten. Am Ende dieses Buches, wird sie etwas anderes zu tun haben, als sich mit Euch zu unterhalten. Das sollte man akzeptieren. Am 1. März kommt der dritte Teil, wir sind dann wieder vor Ort für Euch, versprochen.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52151-9 551 Seiten 9,99€ (D) 10,30€ (A)

HANNA CASPIAN - Gut Greifenau I - aktuell
DAVID GILMAN – Das zerrissene Land – Archiv Dez. 2018