BUCHCOVERREZENSION
Etzold.v Schmerzmacher

VEIT ETZOLD –

Schmerzmacher

Herr Etzold haut wieder alle Leser vom Hocker. Das ist nicht nur seinem facettenreichen Humor geschuldet, sondern auch so einigen Weisheiten, die allesamt den Nagel auf den Kopf treffen und den Bücherwurm zum Nachdenken anregen werden. Hundertprozentig. Um dem auch gleich Nahrung zu geben, nimmt Veit eines der berühmtesten Zitate von Sigmund Freud ins Repertoire: „Dass der Mensch glücklich wird, ist im Plan der Schöpfung nicht enthalten.“ Eine Schlussfolgerung daraus könnte sein, dass Herr Freud etwas falsch verstanden hat? Vielleicht gibt es gar keinen Plan. Oder doch einen, bei dem der Schöpfer sich etwas anderes gedacht hat, als was uns tagtäglich präsentiert wird. Wer weiß? Manche Zeitgenossen scheinen ja glücklich zu sein, vor allem dann, wenn andere darunter leiden müssen. Sie marodierend durch die Landschaft und so imposante Schneisen von Leid, Elend, Blut und Vernichtung durch ihre Nachbarschaft und das Leben überhaupt ziehen können. So krass, dass die Pferde der Apokalyptischen Reiter im Stall verhungern müssen, weil die vermeintlichen Herren des menschlichen Unterganges, deren Bedeutung ihres Berufes in der Klärgrube des (un)menschlichen Gartens versenkt wurde, beim Frust-Saufen kein Ende mehr finden. Luzifer, als der gefallene Engel Gottes, hatte so viel Optimismus, als er an seine neue Aufgabe heranging, die Menschen noch schlechter zu machen, als sie sind. Sie gottesabspenstig zu machen. Da ist er wohl, ganz weit, hinter seinen eigenen Plänen geblieben. Die Menschheit hat ihn, spielend, in seine Schranken verwiesen. Luzifer hat das Klassenziel nicht erreicht, ist sitzengeblieben. Aus dem angehenden Universitätsprofessor für Qualen und unendliches Fegefeuer ist ein Laufbursche geworden, der froh sein kann, dem Homo Sapiens Sapiens das Feierabendbier aus dem Spät-Kauf zu holen. Der „Hellleuchtende“ ist mittlerweile suizidgefährdet, vermutlich lag er auch schon auf der Couch, bei Sigmund Freud, nur muss der so vorausschauend gewesen sein, sämtliche Bücher von Veit Etzold in einem Tresor einzuschließen und den Schlüssel wegzuwerfen. Da die „Heilige Mutter Kirche“, aller Couleur, als den Gottesfeind Nr.1 immer noch Satan sieht, kann der ja noch keine Zeile von Veit gelesen haben, sonst hätte er sich schon längst den Strick genommen. Vom Fürsten der Finsternis, der Bosheit überhaupt und allen Verhängnisses, degradiert zu werden, zu einem Katzenbaby, das man beim Wacken Open Air, im Leipziger Gothic-Treffen, und auch an anderen Orten, wie Banken, Krisengebieten, dem Bundestag, weltweit, zum Kuscheln herumreicht, ist doch, eine eher reichlich peinliche, wie auch deprimierende Karriere. Kleine Kuschelteufel mit Gummidreizack kann man zwar jetzt überall kaufen, aber ob das im Sinne des Erfinders war, und Satan aus diesem Merchandising Profit ziehen wird, ist wohl mehr spekulativ. Da kann es doch kein Wunder sein, dass Luzifer auf allen Drogen dieser Welt ist, und der Vatikan sämtliche Bibliotheken verschließen, oder besser noch, vernichten möchte. Damit der Feind Nr.1 nicht doch noch auf die Idee kommt, nach der Lektüre von Veit Etzold, wirklich Suizid zu begehen. Weil die Erkenntnis so hammerhart ist, das er nichts lehren kann und der Lernprozess, den die Menschheit ihm vorgibt, ihn komplett überfordern würde. Unsere Machtgewaltigen brauchen aber den Feind Nr.1, um ihm die Schuld geben zu können, damit wir ihnen, weiterhin, auf den Leim gehen werden. Dafür hat Veit Etzold jedoch kein Verständnis, sein Mitleid mit dem tieftraurigem Teufel hält sich so engen Abmaßen, da erscheinen Nanometer als unüberwindliche Entfernungen. Und so schreibt er wieder ein Buch, das sich wie eine Anklage gegen einen Teil der humanoiden Mitbewohner dieses Planeten liest, deren Taten unter aller Sau sind. Das Repertoire ist weit gefächert, so weit, dass ein normaler Mensch, der den ganzen Tag arbeiten gehen muss, nicht einmal auf die Idee kommen würde, hieran einen Gedanken zu verschwenden. Geschweige denn solche Aktionen auszuführen. Da muss man schon viel Zeit, Geld, Langeweile und ein kriminelles Potential astronomischen Ausmaßes haben. Herr Etzold stöbert in vielen Ecken. Was er aus so manchen Kellern, Rumpel- oder Dachkammern inhumanen Denkens, aber auch von so einigen Mietadressen, weit jenseits eines Einkommens eines Menschen des Durchschnittes zieht, da kann man nur das kalte Grausen bekommen. Eins muss man ihm, vorbehaltlos, bescheinigen, Mut zum Schreiben hat er. Das sind ganz heiße Eisen. Hut ab! Unterhaltsam ist er dabei auch. Interessant ist, das was er schreibt, jedem Menschen im Normalumgang den Mageninhalt hochkochen lassen wird. Jeder weiß es, nur will keiner darüber sprechen und eine Lösung finden, schon gar nicht. Und so muss Clara Vidalis wieder herangezogen werden, im Dreck zu wühlen, der uns tagtäglich umgibt. Die gute Frau hat schon viel gelitten und wird jetzt von einem Mörder drangsaliert, der eigentlich schon tot sein sollte. Seine Leiche war in der Rechtsmedizin. Und trotzdem taucht seine DNA wieder auf, bei Verbrechen, die als Suizide durchgehen würden, wenn man nicht ganz genau hinschauen würde. Veit Etzold hat ein Buch hingelegt, das liest man auch noch ein zweites, drittes Mal, oder noch öfter. Seine Empfehlungen für Musik könnte man aber mal aktualisieren. Slayer waren, damals, richtig gut drauf. Nur, wer hört die heute noch? Industriell-Metal-Bands? Keine weiteren Namen, bitte! In Berlin gibt es nur noch eine Truppe, die man wirklich hören kann. „Ost+Front“. Wer wirklich Death oder Grind-Core haben möchte, was sich potentiell vom Industriell unterscheidet, sollte sich für „Necromorph“ entscheiden.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-52112-0 372 Seiten* 10,99€ (D) 11,30€ (A)
*Plus einer brillanten Leseprobe aus seinem neuen Buch „Staatsfeind“, ab 1. März 2019, Vormerken!!!

VEIT ETZOLD – Tränen-Bringer – Archiv Feb. 2018