BUCHCOVERREZENSION
Bardugo.l GoldDerKraehen

LEIGH BARDUGO –

Das Gold der Krähen

Lasst Euch eines gesagt sein, Krähen vergessen nicht. NIE. Die „Ratten“ der Lüfte haben eine ziemlich hohe Intelligenz, die derer auf der Straße in keiner Weise nachsteht. Ist schon etwas unheimlich, wenn man als Krone, oder besser, der Gipfel, einer göttlichen Schöpfung, feststellen muss, dass Vögel und kleine Säugetiere mehr Grips in der Schädelkammer haben, als man selbst. Furioser zweiter Teil für die permanenten Außenseiter einer verlogenen Gesellschaft, die, wie unsere eigene, nur ihre Pfründe sieht und dafür unsere Leben zu Kompost für ihre Vorteile und Gewinne verarbeiten will. Das Frau Bardugo die Idee hatte, ein Buch zu schreiben, war schon gut. Ihr Protagonist an einer Krankheit leidet, die er zu verdrängen versucht, sie auch selbst hat, ist schon ein Furiosem, das es in sich hat. Ein zweiter Teil war hier schon Pflicht. Sowohl für Produzent und auch den Konsumenten. Frau Dr. Bardugo macht sich bereit, das Selbstbewusstsein der Leser-Innen wieder zu stärken, deren Alltag darin zu bestehen scheint, sich trotz hoher Erfüllungsquoten auf Arbeit, wie auch im persönlichen Bereich, sich von allen möglichen Leuten anpflaumen lassen zu müssen, nur weil man kein eigenes, so übersteigertes, Geltungsbedürfnis hat, wie diese Knalltüten. Und man nicht ganz so hoch auf der Hierarchieleiter steht. Egal, was man tut, es reicht vorne und hinten nicht. Es wird nur gefordert, verlangt, gegeben wird nichts. Leigh Bardugo richtet die Leser wieder auf, stärkt ihr oder ihm den Rücken. Auch wenn man auf relativ verlorenem Posten steht, man ist trotzdem immer noch ein Mensch und, ab und zu, sollte man diesen Möchtegernprotzen mal sagen, leck mich einfach, wo die Sonne nicht hin scheint. Ihre Krähen sind ein wohlverdienter Urlaub vom Alltag. Kaz Brekker ist zwar nicht gerade der Vorzeigeheld, á la Robin Hood oder Stenka Rasin, dafür aber raffiniert, gut organisiert und auch skrupellos genug, solchen Pennern offensiv entgegen zu treten, die Dich, Macht ihrer Privilegien bescheißen werden. Diese Ganoven drehen es so, dass sie an manchen Tagen gewinnen. Nur an allen anderen Tagen verlierst du auch. Schon komisch, wenn man nicht skrupellos ist, sondern auch an andere Menschen denken will. Im letzten Geschäft wurde Kaz Brekker betrogen, viele Mitstreiter sind gestorben und eine junge Frau, Inej, das Phantom, wurde entführt. Herr Van Eyck lässt die Muskeln spielen, will die kleine Kanalratte Kaz in die Knie zwingen, ihr gemeinsames Geschäft will er nicht zu Ende bringen, nur Herrn Brekker ausbaldowern. Er will das Parem, eine Droge, mit der man die Fähigkeiten der Grischa, Menschen mit außergewöhnlichen Begabungen, gezielt steigern und sie, nach Benutzung auf den Müll schmeißen kann. Dafür geht Jan Van Eyck auch über leichengepflasterte Wege. Seinen eigenen Sohn, der nicht lesen kann, aber Musik versteht, ein Erbe Beethovens sozusagen, hatte er töten lassen wollen, seine Ex-Frau in eine geschlossene Anstalt gebracht. Der Mann ist ein anerkannter Geschäftsmann, der Geld verwaltet und einen makellosen Namen hat. Trotzdem nur ein Stück Scheiße ist, wie man das nur in Fantasieromanen rigoros aufdecken kann. Das man Drogen besser meiden sollte, machen die australischen Musiker von ADVENT SORROW in ihrem Video „Absolute Perpetual Death“ kompromisslos klar. Die Känguru-Metaller legen sich hier strikt fest. Keine Macht den Drogen! Nur, wenn man sie nicht freiwillig nehmen will und trotzdem dazu gezwungen werden und an sich herumexperimentieren lassen soll, um den Zielen einiger Skrupeloser zu dienen, dann kann man nur feststellen, dass so einige unserer Mit-“Menschen“ nicht wirklich rund laufen und wir nur die Opfer ihrer „Spiele“ sein sollen. Wir sind jedoch mehr wert. Ein Fakt, den Leigh Bardugo felsenfest untermauert und vorbehaltlos unterstützt. Diese Frau ist genauso ein Wahnsinn, wie er im, in ihrem eigenen, Buch steht. Kaz Brekker hat noch ein paar Rechnungen offen und damit steht er nicht allein da. Im Gegensatz zu den Mitläufern, die sich auf der Gewinnerseite sehen wollen, macht sich das Kernteam jetzt auf, die Welt doch etwas besser machen zu wollen? Da geht jedoch einiges schief. Hatten wir furios gesagt? Frau Bardugo legt einen Flächenbrand, der ganze Landstriche in Flammen versetzen wird. Speziell Ketterdam, wo Ihre Protagonisten, die zwar eigentlich die Verlierer einer Gesellschaft, die inhumaner nicht sein kann, jetzt, trotz aller Widrigkeiten, die Offensive starten. Sie gibt die Hoffnung nicht auf, dass wir, irgendwann, das eine begreifen sollten. Wir sind mehr wert.
(Knaur)

ISBN 978-3-426-65449-1 579 Seiten 16,99€ (D) 17,50€ (A)

LEIGH BARDUGO – Das Lied der Krähen – Archiv Dez. 2017